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Le Gang des Bois du Temple-Berlinale

Philippe Petit, Régis Laroche, Kamel Mezdour, Kenji Meunier (Foto: © Sarrazink Productions)

Le Gang des Bois du Temple-Berlinale

Bei der 73. Berlinale lief in der Sparte Forum der französische Spielfilm Le Gang des Bois du Temple.

Regisseur des 112 Minuten langen Films ist Rabah Ameur-Zaimeche. Er ist auch für das Drehbuch verantwortlich. Der Filmschaffende kam 1966 in Algerien zur Welt. Er war 2001 erstmals zu Gast bei der Berlinale. Damals zeigte man sein Erstlingswerk „Wesh wesh, qu’est-ce qui se passe?“ Dafür wurde der Regisseur mit dem Wolfgang-Staudte-Preis geehrt.

Rabah Ameur-Zaïmeche(Foto: © Flavien Prioreau)

Dieser Spielfilm hat eine große Gemeinsamkeit mit „Le Gang des Bois du Temple“. (Der englische Titel lautet: „The Temple Woods Gang“). Der Regisseur verlegt sein Werk in die seelenlosen Hochhaussiedlungen der Vororte von Paris. Das Wohnprojekt trägt den Namen Bois du Temple.

Der im Wohnblock sehr beliebte und geschätzte Monsieur Pons, ein Herr Mitte 50, tritt in Erscheinung. Man sieht ihn in einem Apartment. Diese Rolle hat Regis Laroche übernommen. Der Schauspieler hat bereits mit Rabah Ameur-Zaimeche bei dem 2015 gedrehten Spielfilm „Der Fall Judas“ und im 2019 gedrehten Drama „Im Visier des Terrors“ zusammengearbeitet.

Gleich am Anfang des 2022 entstandenen Spielfilms taucht eine Tote auf. Herbeigerufene Rettungssanitäter können für die alte Dame, die Mutter von Pons, nichts mehr tun. Kurz danach sehen wir die Totenmesse in einer Kirche. Die bretonische Sängerin Annkrist singt beim Gottesdienst. Der Film ist ein Werk, dass mit Worten sparsam umgeht. So zeigt Kameramann Pierre-Hubert Martin beispielsweise in Nahaufnahme die Trauergäste. Der Pfarrer geht auf Monsieur Pons zu und tröstet ihn ohne Worte. Freundschaftlich verbunden ist der Geistliche wohl mit dem Sohn der Verstorbenen. Er legt dem auf der Kirchenbank sitzenden trauernden Sohn lange die Hand auf die Schulter. 

Im weiteren Verlauf erfährt man von Gesprächen, so mit Pons Nachbarn im Wohnblock, Bébé, dass Pons einst einige Jahre als Soldat tätig war. Das Wort „Fremdenlegion“ fällt zwar nie, es ist aber davon auszugehen, dass Pons viele Jahre dort gedient hatte. Er selber berichtet von seinen Einsätzen in einigen afrikanischen Ländern. Die Armee hatte ihn einst zum Scharfschützen ausgebildet. Den Nachbarn spielt Philippe Petit. Ferner spielen u. a. Marie Loustalot, Kenji Meunier und Salim Ameur-Zaimeche mit. Pons und einige Männer aus dem Wohnblock, die vom Alter her betrachtet, seine Söhne sein könnten, wollen ein „Ding drehen“. Schnell will man an viel „Kohle kommen“. Ein Überfall soll das ersehnte Vermögen bringen. Ein Kleintransporter wird in einem Tunnel überfallen. Der Raubüberfall gelingt blitzschnell und sorgt für viel Bargeld. Bedauerlicherweise ist der Eigentümer des Transporters ein hochrangiger Prinz aus Saudi-Arabien. Den Verlust des Bargelds könnte er problemlos verkraften. Es waren aber auch heikle private sowie strenggeheime staatliche Unterlagen im Fahrzeug, die den Tätern auch in die Hände gelangt sind. Die können natürlich mit diesen Papieren gar nichts anfangen, sie waren auf Geld aus. Die sensiblen Papiere sehen sie als völlig unwichtiges Zeug an.

Der Prinz setzt alle Hebel in Bewegung. Man heuert einen der allerbesten Privatdetektive an. Der soll die Täter ermitteln und die sensiblen Papiere wieder in die Obhut des Scheichs bringen. Für die Spürmaßnahmen sind dem Privatermittler keine finanziellen Grenzen gesetzt. Es zählt nur der Erfolg, koste er auch noch so eine hohe Summe. Dass der Prinz grenzenlos über Geld verfügt, lässt uns der Regisseur wissen durch einen Museumsbesuch. In einem Kunstmuseum hängt ein unverkäufliches Kunstwerk. Ein Berater des Scheichs meint, das Bild passe gut in seine Villa in London. Oder doch besser in die Villa in Genf? Ein Museumsmitarbeiter weist höflich daraufhin, dass Kunstwerk sei unverkäuflich. Der Scheich beachtet den Mann gar nicht und gibt die Anweisung: „Kaufen“. Selbstverständlich kann der Gast aus Saudi-Arabien dann doch das Bild erwerben.

Aus den glücklichen Räubern, die sich an ihrem Reichtum erfreuen wollten, werden plötzlich Gejagte. Der Privatdetektiv und seine Helfer wollen gnadenlos vorgehen. Kommt ihnen ein Täter ins Fangnetz, werden sie alle am Raub Beteiligten haben. Man ist bereit, den einen Erwischten so lange zu foltern, bis er alles preisgeben wird. Der eine Täter soll so gefoltert werden, dass er seine Peiniger anflehen wird, ihn durch Tod von seinen Leiden zu erlösen. Es kommt auch so. Einen Räuber können die privaten Ermittler ausfindig machen. Er wird in seiner eigenen Wohnung zu Tode gefoltert. Nun soll ein Räuber nach dem anderen für den Raubüberfall bezahlen. Unter Bezahlung versteht der Scheich, seine von ihm bezahlten Mitarbeiter sollen als Henker fungieren. Man erlebt den Scheich als großen Gegenspieler von Pons. Der Scheich lebt nicht nur in Saus und Braus, er lebt in zwei verschiedenen Welten. Man sieht ihn in einer Szene, wie er, diesmal nicht in arabischer Tracht gekleidet, sondern im legeren westlichen Outfit, eine Bar betritt. Ausgelassen tanzt er dort gekonnt Bauchtanz. Der ehemals gut ausgebildete Soldat Pons hat herausgefunden, wer hinter ihm und seinen Freunden her ist. Pons muss erleben, dass der ein oder andere Mittäter auf Befehl des Prinzen hingerichtet worden ist. Pons hat ja zu Hause noch ein Gewehr liegen. Ein Andenken aus vergangener Zeit bei der Armee. Zudem, daran sei nochmals erinnert, hatte man ihn einst zum Sniper ausgebildet. Pons ist ein ebenso guter Spürhund wie der Privatermittler. Der ehemalige Soldat ahnt, ja vielleicht weiß er es sogar ganz genau, wo man dem Scheich und seinen Untergebenen begegnen bzw. auflauern kann. 

Wer sich an den 1967 gedrehten französischen Film „Der eiskalte Engel“ von Jean-Pierre Melville und in der Hauptrolle des eiskalten Engels fungierenden Alain Delon erinnern sollte: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Rabah Ameur-Zaimeche hat ihn wieder auferstehen lassen. Diesmal wird der eiskalte Engel von Regis Laroche dargestellt.

Ein gelungenes Gangsterepos Made in France. Die 73. Berlinale hat sich generell als guter Gastgeber für Filme aus Frankreich gezeigt! Da darf man aus dem Wettbewerb beispielsweise die Werke „LE GRAND CHAROT“ und „SUR L´ADAMANT“ genauso lobend erwähnen wie aus der Sparte Forum „Le Gang des Bois du Temple“.

Text: Volker Neef

Foto: © Sarrazink Productions © Flavien Prioreau

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin