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Flieg, Holländer, Flieg! Welturaufführung der neuen Wagner-Adaption von Uwe Hoppe im Hoftheater des Steingraeber Palais

Flieg, Holländer, Flieg! Welturaufführung

Flieg, Holländer, Flieg ! 
Welturaufführung der neuen Wagner-Adaption von Uwe Hoppe im Hoftheater des Steingraeber Palais 

Bereits seit Anfang der 80er Jahre hat sich Uwe Hoppe weit über die Grenzen Bayreuths hinaus einen Namen gemacht mit Adaptionen und Persiflagen auf Opern von Richard Wagner. Und auch in diesem Jahr startet die Studiobühne Bayreuth mit der Premiere der Bearbeitung des Fliegenden Holländers unter dem Titel „Flieg, Holländer, Flieg“. Schon eine Woche bevor oben auf dem Grünen Hügel sich der Vorhang für Wagners Holländer öffnet, erblickt eine Theaterversion aus der Feder und der Regie von Uwe Hoppe das Licht der Welt. Spielort ist das Hoftheater im barocken Steingraeber Palais, das für seine Klaviere und Flügel weltbekannt ist.

Das Hoftheater mit ausrechendem Sicherheitsabstand zwischen den Zuschauern sieht fast schon selber aus wie das Gerippe eines alten Holzschiffes.

Fangen wir mit dem Bühnenbild an. Das ist sehr spartanisch angelegt, und im Hintergrund symbolisieren drei Stoffdreiecke die Segel des unheilvollen Schiffs. Dieses Schiffes, das den rastlosen Holländer seit langer Zeit durch Stürme und Flauten geleitet und nur alle sieben Jahre für einen Tag an Land ankern darf. Die Szenen werden nur durch Lichtwechsel gestaltet, was vollkommen ausreicht.

Die Turmglocken der nahegelegenen Stadtkirche schlagen 8 Uhr, als im Hoftheater Sturm und Blitze einsetzen. Senta, die Tochter Dalands, arbeitet gerade an einem Porträt eines unbekannten imaginären Mannes. Und Mary (Conny Trapper), die Hausbedienstete, versucht sie aus dem Sturm zu holen und ist gleichzeitig verbittert über ihr eigenes verpfuschtes Leben. Senta dagegen will außerhalb der Norm leben und wehrt sich gegen den Kerker einer spießigen Beziehung. 

Höhepunkt des Abends: Der Dialog zwischen Senta und Holländer


Der Autor schafft es immer wieder seinen eigenen Text mit Zitaten aus dem Originallibretto zu durchsetzen. Immer wieder singen die Schauspieler selber, und die klare und helle Stimme Sentas (verkörpert von Annette Zeus) beeindruckt. Auch sie ist es, die mit Energie und Spielfreude die Fäden zu und zwischen den anderen Figuren auf der Bühne spinnt und knüpft.

Als der Holländer (Lukas Stühle) nach langen Jahren nun endlich wieder an Land ist, hält er einen langen Monolog über sein Leben und den Fluch, der ihn verfolgt. Seine sonore, fast brummige Stimme resoniert in den Holzbalken des Hoftheaters und ermöglicht eine starke Präsenz.

Natürlich gibt es noch den alten Liebhaber und Weggefährten, der eifersüchtig im Jägerkostüm alle Widersacher erschießen will. Erik (Finn Leible) ein verkniffener und sehr verliebter junger Mann wird vielleicht aus Mitgefühl gemocht ist aber nicht sexy.

Wenden wir nochmal die Aufmerksamkeit dem Regisseur zu. Die Bühne ist nach zwei Seiten offen und birgt so die Chance für das Ensemble nach zwei Seiten zu wirken. Hoppe schafft es in seinen Inszenierungen immer wieder, Bühnenbild, Licht und die spielenden Menschen so zu komponieren, dass für Sekunden Bilder voller Spannung, Dynamik und Ästhetik entstehen.

Weiter in der Handlung: Wir erfahren, dass der Holländer, Daland (Frank Joseph Maisel) und Mary in früheren Zeiten gemeinsam eine Kommune bewohnt haben und viele Abgründe miteinander teilen. So lässt die gemeinsame Erinnerung den machtbesessenen und gierigen Daland und den Holländer (nach erlösender Liebe suchend) einen Deal schließen. Macht und Geld gegen die Liebe und das Leben der Tochter.

Interessant in den heutigen und sehr aktuellen Bezug gesetzt handelt der Holländer mit Blutdiamanten und seltenen Erden. Das ermöglicht vielfältige Ansätze für Gesellschafts- und Wirtschaftskritik bis hin zur Klimakrise. Diese wird dezent zwischen den Zeilen geübt. In seinem Monolog am Ende sagt der Holländer: „Denn ich bin ein Prinzip.“ Stürme, Überflutungen, Dürren, Ausbeutung und Flüchtlingsbewegungen entstehen durch seine unbegrenzte Macht. 

Das von Senta gemalte Porträt eines Unbekannten wird zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung in Gestalt des Verfluchten. Die folgende Szene und der Dialog zwischen Senta und dem Holländer entwickelt sich zum Höhepunkt des Abends. Viel Poetik, ein guter Rhythmus und ein intensiver Text lassen die Sätze und Worte tanzen. Die Choreographie der Bewegungsfolgen und Interaktionen unterstützen diese wirkungsvolle Szene.

Am Ende – wie könnte es anders kommen – stirbt Senta durch einen fehlgeleiteten Schuss aus der Pistole Eriks. Sie stirbt, das Schiff geht unter und die Reichtümer sind weg.
Doch welche zwei Seelen fliegen eng umschlungen gen Himmel?
Selten waren die Schlussakkorde der Oper so ergreifend wie auf dieser kleinen Bühne.

Weitere Informationen: https://www.studiobuehne-bayreuth.de/theater/de/spielplan/kalender/
Text: Joachim Skambraks / Fotos: Studiobühne Bayreuth / Foto Bühne: Joachim Skambraks Stimme der Hauptstadt Redaktion München

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin