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Menschen mit Spuren und ihre Wege durch die Krise Folge 27: Thorsten Sievert 

Thorsten Sievert, Foto: Joachim Skambraks 

Thorsten Sievert ist Comedy-Produzent und zum Interview extra aus Köln gekommen. Wenn bei ihm das Telefon klingelt, da kann schon mal Chris Tall, Bülent Ceylan oder Hugo Egon Balder dran sein. Kein Wunder, denn er hat die größten Comedy Sendungen im deutschen Fernsehen produziert. Jetzt produziert er auch Live-Comedy-Shows und ganze Touren für Künstler. Auch coacht er Führungskräfte und Geschäftsführer im Bereich Auftritt und Humor. 

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MMS: Wie hinterlässt du aus deiner Sicht Spuren? 

Thorsten Sievert: Ich finde, es gibt zwei Ebenen. Die eine ist die menschliche, dass ich zwei Kinder habe. Das sind die Spuren, die nach mir noch lange bleiben werden. Ich habe viele, teilweise sehr lange, Freundschaften und ich meine, dass ich im Kontakt mit den Menschen durch Gespräche und gemeinsame Aktivitäten Spuren hinterlassen habe. Dann habe ich auch Mitarbeiter, mit denen ich gearbeitet habe, sie viele Jahre begleitet und teilweise zu Führungskräften gemacht habe. Ich merke immer noch, wenn ich mit ihnen wieder Kontakt habe, dass sie etwas von mir in sich tragen, auch wenn wir nicht mehr zusammen arbeiten. Es ist eine gewisse Form von Haltung, von einen Blick auf die Welt, wie man Dinge angeht oder wie man mit Problemen im Job umgeht. Meine Arbeit hinterlässt Spuren durch Sendungen, die ich produziert habe, die wiederholt werden und die in Archiven und Mediatheken sind. Ich habe auch Künstlerkarrieren begleitet. Einem Kaja Yanar habe ich ganz am Anfang seiner Karriere den ersten Auftritt außerhalb von Frankfurt in Hamburg gegeben. Mit Bülent Ceylan war es ein Jahr später ähnlich. Chris Tall habe ich über den Comedy Gran Prix mit entdeckt. In der Rückschau auf das, was ich gemacht habe, dann sind da Spuren und das erfüllt mich auch mit Stolz und mit Freude. 

MMS: Du hast sehr wichtige Comedians produziert und auch wichtige Comedysendungen. Inwieweit hinterlassen solche Sendungen auch Spuren, abgesehen von dem „nur“ Lachen? 

Thorsten Sievert: Ich habe jetzt viel mit jungen Künstlern zu tun, die über Social Media ihre Plattform gefunden haben, Tik Tok oder YouTube, und die Comedy machen. Gerade 25-jährige sind immer ganz begeistert, wenn sie mit mir sprechen können, weil sie sagen: Was du gemacht hast, hat mich als Kind teilweise inspiriert auch Comedy zu machen. Es ist Unterhaltung. Unterhaltung schaut man sich an und vergisst auch wieder. Als Kind oder Jugendlicher habe ich sehr viel von Otto Waalkes oder Loriot mitgenommen. Später, als ich als Student anfing, wirklich ernsthaft Comedy zu machen und die ersten Versuche machte, waren es Monty Python und John Cleese. Insofern glaube ich, humorvolle Sendung unterhalten erstmal. Manchmal hast die Chance über bestimmte Sachen, die du erzählst, Menschen auf einer tieferen Ebene zu berühren. Aber Humor bewegt ja Menschen. Ein guter Humor geht in die Tiefe, arbeitetet mit Schmerz und mit Wahrhaftigkeit. Das ist mir immer sehr wichtig. Dann hinterlässt du keine sichtbaren aber unmerkliche Spuren. 

MMS: Du bist gerade auf dem Weg in die eigene Selbständigkeit. Wie ist es dir in den bald zwei Jahren Pandemie und Lockdown gegangen? 

Thorsten Sievert: 2020 war schon einschneidend. Zum Glück weniger beruflich und finanziell, weil ich hatte noch meinen Vertrag mit einer großen Fernseh-Produktionsfirma. Zuerst konntest du nichts machen. Pläne in Richtung live waren Unfug. Ich habe wirklich relativ wenig machen können. Für mich, der immer gerne viel macht, war das sehr ungewöhnlich. Zum Glück war ich finanziell abgesichert, weil über den Vertrag floss einfach Geld. Ich fand es eine spannende Zeit mal runter zu fahren. Das Jahr 2020 war ein Übergangsjahr. Ich habe dann entschieden, in den 20er-Jahren mich selbstständig zu machen. Das haben viele mit Stirnrunzeln sorgsam betrachtet. Ich wollte den Vertrag auslaufen lassen, denn ich wollte zu neuen Ufern gehen. Ich wusste in mir drin: Warten geht jetzt nicht ein Jahr länger. Das war jetzt einfach dran. Mein Gedanke war, Corona ruckelt eh alles durcheinander. Also kannst du auch mitmischen. Wenn jetzt die Pandemie zu Ende geht, wird vielleicht alles wieder neu verteilt. Dann wird es sogar schwieriger. So war mein Gedanke: Nutzte das einfach als Chance mit allen Risiken, die dazu gehören. Live soll eine wichtige Geschäftssäule werden und weil Comedy-Shows auch vor Publikum stattfinden, ist da schon Unsicherheit enthalten. Coaching und Training eigentlich auch. Ich habe mir gedacht, ich glaube einfach daran. Ich glaube, dass der Moment, während Corona das zu machen, der richtige Moment war. Alles wurde auch smarter und digitaler. Deshalb werden die Verbreitungswege von Bewegtbild-Formaten diverser, auch kleinteiliger und teilweise günstiger. Dadurch hast du eine größere Chance als kleine Firma da reinzukommen, als manchmal eine große Firma, die natürlich viel mächtiger ist und viel mehr Budget und Mitarbeiter hat. Aber du kannst als Schnellboot, das war mein Bild, viel eher Dinge erreichen, die große Firmen nicht erreichen. Es hat sich als richtig herausgestellt, weil zum Beispiel bei den öffentlich-rechtlichen wie ARD und ZDF viel neuer frischer Wind wirbelt. Alle haben in der Pandemie gemerkt, sie müssen digitaler werden, um neue Zielgruppen zu erreichen. Mediateken-Formate und YouTube-Formate werden jetzt ein großes Thema. Da kann ich ganz gut etwas anbieten. Insofern habe ich gesagt, ich nutze diese Krise als Chance. Ich gehe mit dem ganzen Bewusstsein des Risikos da rein. Bisher bin ich nicht enttäuscht worden. Bisher würde ich sagen, Corona ist eigentlich für mich ein Geschenk, weil ich sehr viele neue Denkmodelle für mich finden musste. Das ist dann auch spannend. 

Thorsten Sievert, Foto: Joachim Skambraks 

MMS: Welche anderen Methoden, Denkweisen oder Hilfsmittel haben dir und deiner Familie besser durch die Zeit geholfen? 

Thorsten Sievert: Was ich immer mache und was ich jedem nur raten kann: Ich versuche, auf der einen Seite immer positiv zu denken und immer das Glas als halb voll zu denken. Das ist nicht immer einfach. Mir fällt das leicht, weil ich ein optimistischer und positiver Mensch bin und viel Resilienz mitbekommen habe. Eine Hoffnung in ein Projekt, das etwas werden könnte, versuche ich, nicht zu groß werden zu lassen. Weil die Enttäuschung danach umso größer ist. Das ist mir einmal im letzten Jahr passiert. Ich hoffte sehr, dass es etwas wird. Ich wusste, dieses könnte ein Game Changer sein, die nächste Stufe mit neuen Mitarbeitern und stärkeren Strukturen. Das hat sich jetzt ordentlich entschleunigt, nennen wir es mal so. Da war ich kurz mal eine Woche frustriert. Ich hatte zu viel hinein projiziert. Meine Strategie ist, viele Bausteine und viele Bälle in der Luft halten. Verschiedene Projekte zu pitchen und in verschiedenen Stadien zu haben. Wenn eines weg bricht, ist es nicht so schlimm, weil du noch andere hast. Deswegen plane ich die drei Säulen Bewegtbild, also Fernseh-Live-Entertainment Produktion, Tour-Produktion und Coaching von Führungskräften und Managern. Dadurch läuft immer etwas. Es ist eine schöne Überforderung. Ich habe schon zu viel Bälle am Jonglieren, aber es entspannt mich. Ich weiß, wenn etwas nicht klappt, dann ist das halt so. Ich habe noch andere Themen. Abhängigkeit von einem Thema ist schlimm. Ich kenne sehr viele Leute, die sehr viel Hoffnung in eine Sache stecken. Das ist für mich gefährlich. Ich glaube, wenn das Eine nicht klappt, bist du wieder bei Null. Die Energie wieder etwas Neues zu starten, ist unfassbar groß. Das ist mein Tipp und eine gute Planung zu haben. Im Endeffekt versuche ich immer zu sagen: Was sind Themen in diesem Jahr? Was muss ich wie schaffen? Welche Ziele setze ich mir? Ich versuche zumindest einen Teil davon zu schaffen, alles schafft man nie. Mein Ziel dieses Jahr ist, ein Fernsehprojekt an den Start zu bekommen. Alles andere habe ich letztes Jahr schon vorbereitet. Da ist immer noch eine Menge zu schaffen. Du musst erst mal schaffen, so ein Projekt zu bekommen. Daran arbeite ich und der Rest ist irgendwie Bonus. Also meine Methoden sind Optimismus, viel versuchen ran zu schaffen, viel zu probieren und Ziele zu haben, die realistisch sind und die man schaffen kann. 

Ich habe mit meiner Freundin viele Radtouren gemacht. Wir haben die Idee gehabt, dass wir Bekannte und Freunde, die wir nicht sehen können und die außerhalb von Köln wohnen, mit dem Rad spontan und überraschend besuchen. Alle waren zu hause im Lockdown. Über den Gartenzaun können wir mit Abstand Kontakt haben. Das waren tolle Radtouren, tolle Überraschungen und Begegnungen für die Menschen. 

MMS: Das waren jetzt viele Anregungen. „Menschen mit Spuren“ interessiert sich auch für Kultur, Theater, Kunst oder Musik. Was aus diesem Bereich hat dir geholfen, besser durch die Zeit zu kommen? 

Thorsten Sievert: Ich entwickele und produziere selber ja ganz viele Ideen und bin im Austausch mit Autoren und anderen Kreativen. Das ist schon ein großer Treiber und Glücklich-Macher. Bei mir ist es mehr das Entwickeln und Erfinden und weniger das Konsumieren. Das hilft mir wahnsinnig. In diese kreativen Welten einzutauchen und die zum Leben erwecken, das macht mich immer glücklich. Ein Spielzeug toll finden und damit spielen wollen und können. 

MMS: Diese Auszeit, dieser Stillstand haben die Chance etwas Neues, eine Innovation oder eine Transformation zu schaffen. Was ist noch bei dir passiert? 

Thorsten Sievert: Durch dieses bewusste Herausgehen aus dem Konstrukt einer großen Firma mit gut dotiertem Vertrag und Mainstream war der Versuch, meinen Geist zu resetten. Das anders denken zu können, indem ich es selber mache, ohne es mit anderen Partnern machen zu müssen. Ich habe angefangen komplexere Formate zu entwickeln mit anderen Strukturen, also Crossover, weniger Mainstream und mehr in die Nische zu gehen. Ich komme wieder näher an das heran, wo ich mal angefangen habe in meinen 20er-Jahren und warum ich Theater machen wollte. Damit hatte ich ja angefangen und dann Live Comedy und Theaterregie. Ich kann wieder ein bisschen inhaltsreicher denken und das macht mir große Freude.

MMS: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Du bist sehr beschäftigt und es ist eine Ehre. 

Fotos und Interview: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt.Berlin, Redaktion München 

Hier finden Sie den Link zum Video: 

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin