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Glückliche Tage von Samuel Beckett an der Studiobühne Bayreuth 

Fotograf: Thomas Eberlein, Studiobühne Bayreuth

Modernes Theater verständlich angeboten. 

Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen andere Menschen, um zu kommunizieren und Selbstbestätigung zu erhalten. Es ist die Kultur, die dem Menschen Sinn und Selbstwert gibt. In Samuel Becketts „Glückliche Tage“ symbolisiert ein alterndes Ehepaar den Prozess des Älterwerden. Je älter ein Mensch wird, umso weniger kann er, wie er will. Das Eine sind körperliche Einschränkungen, das Andere gesellschaftliche Zwänge und das Dritte das Verhalten in einer Beziehung, die ihre Liebe verloren hat. Beckett setzt zwei Menschen in eine öde Gegend, und die Frau steckt mit dem Unterleib in der Erde fest. 

 Winnie in der Erde ist gefangen von Konventionen und auch dem Korsett, das sie sich selber geschaffen hat. So gerne würde sie noch leben und sich bewegen können, um noch viele glückliche Tage zu erleben. Doch sie hat sich arrangiert und ihr Leben eingerichtet. Rituale und Zitate aus der alten Zeit beschwören den alten Stil, von dem sie nicht lassen will. Doch ihre Schönheit schwindet, obwohl sie sich wie immer schminkt und die Haare kämmt. Wie gehen Menschen mit schwindendem Leben und Attraktivität um? Winnie hat sich entschieden, viel und ausschweifend zu reden. Als Publikum für ihre Selbstbestätigung ist ihr nur noch ihr Mann Willie verblieben.  

Das Bühnenbild von Michel Bövers zeigt einen stilisierten Erdhaufen im Nichts, auf dem ein alter Schrank tront. Ein Symbol einer funktionierenden Partnerschaft in der Vergangenheit. Fotograf: Thomas Eberlein, Studiobühne Bayreuth

Willie könnte sich frei bewegen und frei handeln, doch er will nicht mehr. Resigniert hat er sich in sein gedankliches und auf der Bühne reales Erdloch verkrochen. Manchmal wagt der Schweigsame wie ein Maulwurf kleine Ausflüge in die Außenwelt. Abgesehen von wenigen Worten stellt Hans Striedl seine Rolle hauptsächlich durch Blicke und Minenspiel dar. Die vielen vielsagenden Blicke des Schauspielers vermitteln glaubhaft die Vertrautheit der verloren gegangen Liebe und gleichzeitig seine Genervtheit durch Winnies ständige Fragen, Kommentare und Anweisungen. So lacht er, lächelt, grinst und unterstützt durch seine Augen und kauzige Bewegungen. Und seine wenigen Worte müssen in der Betonung passen. All diese Hürden nimmt er mit Leichtigkeit und nimmt sich die notwendige Zeit dafür. So schafft er Momente der Spannung. 

Winnie kann nicht ohne ihren Mann Willie, braucht sie doch wenigstens das Wissen um einen Zuhörer. Und er kann auch nicht ohne sie, doch abgestumpft hat er aufgegeben. Er braucht keinen Erdhaufen und kein Korsett, er hat seinen Wirkungskreis selber auf ein Minimum eingeschränkt. Am Ende unternimmt er noch einige Versuche, sich ihr anzunähern, schafft es aber nicht mehr. Und ihr Korsett des Erdhaufens ist so bis zum Hals angewachsen, dass sie ihm nicht einmal mehr die Hand reichen kann.  

Fotograf: Thomas Eberlein, Studiobühne Bayreuth

Diese Polarität zwischen den Beiden, zwischen Mann und Frau, kann auch ein Bild für uns Menschen sein. Jeder trägt mutmaßlich beide Teile in sich. Genau diese Interaktion zwischen Beiden, die Blicke, die Töne, die Gedanken, die bei ihr zu vielen Worten und bei ihm zu immer mehr Schweigen führen, das ist die Herausforderung für den Regisseur. Jürgen Skambraks schafft es mit seiner feinfühligen Art, die Möglichkeiten der Schauspieler zu unterstützen. Besonders Heike Hartmann als Winnie bleiben zum Ende nur noch Kopf, Stimme, Blicke und Gesicht. Zusätzlich zeichnet sich der Text durch viele Gedankensprünge aus, die nicht immer einer logischen Reihe folgen. So viel Text souverän zu merken und zu interpretieren ist eine Herausforderung, die die Schauspielerin annimmt und meistert. So ermutigt der Regisseur beide Darsteller zu ihren Interpretationen und fordert sie gleichzeitig. Rhythmus, Timing und Lebendigkeit müssen erhalten bleiben. So schafft es das Team, dass sich die Zuschauer in das Stück fallen lassen können, um über ihre eigenen Einschränkungen, Korsette und Höhlen nachzudenken. 

 Ein wiederkehrendes Muster ist die Äußerung: „Keine Verschlimmerung. Keine Verbesserung. Keine Veränderung.“ Es bleibt alles so wie es ist, es wird nicht einmal der Versuch unternommen, alte Muster zu brechen. Es soll sich ja alles dem alten Stil unterordnen. Doch hier liegt es in der Interpretation des Zuschauers, einmal zu hinterfragen: Was wäre, wenn die Regeln gebrochen würden? Warum wollen Beide sich nicht von ihren mentalen und körperlichen Beschränkungen befreien? Warum gräbt sie sich nicht aus? Warum hat Willie das nicht schon längst versucht? 

Das Stück selber gibt keine Antworten für Veränderung. 

So könnte der Aufruf von „Glückliche Tage“ lauten: Mensch, willst du glücklich sein, tritt aus den gewohnten Pfaden. Stelle die Regeln und das Korsett der Einschränkungen in Frage! Der Zuschauer hat es selber in der Hand, wie er sich den Freiraum für Glückliche Tage schafft. 

Weitere Termine unter:

https://www.studiobuehne-bayreuth.de/theater/de/spielplan/kalender/

Text: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt Berlin, Redaktion München

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin