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16. Juni 2025VDAB-Bundesgeschäftsführer Knieling: „Uneinheitliche Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Kommunen schafft zusätzliche Rechtsunsicherheit“

Thomas Knieling (Foto: VDAB)
Der VDAB e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Essen. VDAB steht für „Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V.“.
Der VDAB hat seit kurzem einen neuen Bundesgeschäftsführer. Thomas Knieling wurde vom Bundesvorstand auf diesen Posten berufen.
Thomas Knieling leitete seit 2007 die bayerische VDAB-Geschäftsstelle in Augsburg. Thomas Knieling ist Volljurist, Sozialmanager und Betriebswirt im Sozialwesen. Wir sprachen mit ihm.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Die Herausforderungen in der Pflege nehmen zu – sowohl fachlich als auch strukturell. Was sind aus Sicht des VDAB aktuell die größten Hindernisse für private Träger?
Thomas Knieling: „Die größten Hindernisse für private Träger bestehen derzeit in der überbordenden Bürokratie und der abhanden gekommenen unternehmerischen Freiheit. Wirtschaftlich belastend wirkt vor allem die unzureichende und oft verzögerte Refinanzierung durch die Kostenträger – wie Pflegekassen oder auch Sozialämter – das drückt die Liquidität und kann bis zur Insolvenz führen. Strukturell leiden Einrichtungen unter der fehlenden digitalen Infrastruktur und schleppenden Verwaltungsprozessen. Auch der Fachkräftemangel bleibt ein zentrales Problem, das durch starre Personalvorgaben und fehlende Flexibilität zusätzlich verschärft wird. Insgesamt fehlt es an verlässlichen Rahmenbedingungen, um Pflege wirklich zukunftssicher und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Hier muss die Politik handeln“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Immer häufiger berichten Träger über Konflikte mit Sozialämtern, insbesondere bei der Zahlung der „Hilfe zur Pflege“. Wo sehen Sie hier strukturellen Reformbedarf?
Thomas Knieling: „Das ist ein wirkliches Problem, das auch mit Existenzängsten verbunden sein kann. Ein zentraler Reformbedarf liegt darum in der uneinheitlichen Praxis der Sozialämter, die teilweise zu Verzögerungen aber auch Kürzungen bei der „Hilfe zur Pflege“ führt. Viele unserer Mitglieder berichten von langwierigen Verfahren, fehlender Kommunikation und intransparenten Entscheidungen. Die uneinheitliche Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Kommunen schafft zusätzliche Rechtsunsicherheit. Sozialämter müssen endlich verpflichtet werden, in Vorleistung zu gehen, um die Versorgung der Pflegebedürftigen nicht zu gefährden. Notwendig ist zudem eine bundesweit verbindliche Verfahrensweise mit klaren Fristen und standardisierten Abläufen. Auch die digitale Anbindung der Sozialämter müsste dringend verbessert werden, um Bearbeitungszeiten zu verkürzen. Insgesamt braucht es mehr Verbindlichkeit und Transparenz in der Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen und Sozialhilfeträgern.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: BundesgesundheitsministerinFrau Warken plant eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflege. Was erwarten Sie konkret von einem solchen Gremium – und welche strukturellen Probleme müssen aus Sicht des VDAB dort endlich angegangen werden?
Thomas Knieling: „Die Herausforderungen für eine umfassende Pflegereform sind gewaltig – entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Bund-Länder-Kommission. Dieses Gremium muss endlich konkrete, praxistaugliche Lösungen liefern, statt sich auf wohlklingende Schlagworte zu beschränken. Unverzichtbar ist die Einbindung Expertinnen und Experten aus der Praxis, die die Versorgung täglich verantworten und die Probleme vor Ort genau kennen. Ohne ihren Beitrag droht die Kommission, an den Realitäten vorbeizuplanen. Eine nachhaltige Reform muss sowohl die Finanzierung als auch die strukturellen Rahmenbedingungen der Pflege verbessern – mit wirtschaftlicher Sicherheit für Einrichtungen und Bezahlbarkeit für Pflegebedürftige. Kurzfristige Entlastungen und langfristige Strukturreformen müssen dabei zusammengedacht werden“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Die Bundesregierung will die Eigenanteile in der stationären Pflege deckeln – ein Schritt, der bei Pflegebedürftigen sicher gut ankommt. Aber ist das aus Sicht des VDAB wirklich die Lösung, wenn die Pflegeversicherung schon heute finanziell am Limit ist?
Thomas Knieling: „Ein politisch gesetzter Deckel bei den Eigenanteilen wird für Pflegebedürftige kurzfristig entlastend wirken. Allerdings stellt sich gleichzeitig die Frage, woher das Geld für diese Entlastung kommen soll. Kurzfristig kommen nur Steuermittel oder höhere Pflegeversicherungsbeiträge in Betracht. Langfristig braucht es eine klare politische Strategie, die sich nicht nur darin erschöpfen kann, immer höhere Kosten gesellschaftlich umzuverteilen. Auch die Aufwandsseite muss in den Blick genommen werden und mehr Eigenverantwortung, etwa durch private Vorsorge, sollte stärker in den Fokus rücken. Es gibt nicht die eine Antwort auf die großen demografischen Herausforderungen in der professionellen Pflege. Es braucht ein Maßnahmenbündel, das dem Pflegemangel möglichst weitgehend entgegenwirkt“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Der Fachkräftemangel bleibt ein Dauerbrenner. Wie können private Einrichtungen unter denaktuellen Rahmenbedingungen noch Personal gewinnen und halten – und was braucht es dafür von der Politik?
Thomas Knieling: „Der Fachkräftemangel ist seit Jahren die zentrale Herausforderung für private Pflegeeinrichtungen. Viele Träger setzen verstärkt auf internationale Fachkräfte und arbeiten mit unterschiedlichen Nationalitäten zusammen, doch der Integrationsprozess ist aufwendig und ohne Erfolgsgarantie. Trotz großer Anstrengungen ist die Personallücke statistisch kaum kleiner geworden – und durch die demografische Entwicklung wird sich die Situation eher verschärfen. Um unter diesen Rahmenbedingungen Personal zu gewinnen und zu halten, brauchen Einrichtungen mehr Flexibilität. Gleichzeitig müssen die bürokratischen Hürden für Gewinnung internationaler Kräfte weiter abgebaut werden. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir langfristige Strategien brauchen, wie trotz stagnierenden finanziellen und personellen Ressourcen eine flächendeckende Versorgung sicherstellen können“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Was müsste eine echte Pflegereform aus Sicht des VDAB leisten?
Thomas Knieling: „Eine echte Pflegereform muss aus unserer Sicht die Finanzierung und Versorgung nachhaltig sichern. Sie sollte wirtschaftliche Sicherheit für Pflegeeinrichtungen schaffen und die Pflege für Betroffene bezahlbar halten. Wichtig ist zudem eine Entbürokratisierung, die den Pflegekräften mehr Zeit für die Versorgung lässt. Die Integration digitaler Technologien muss vorangetrieben werden, um Prozesse effizienter zu gestalten. Auch die Zusammenarbeit zwischen Kostenträgern und Pflegeanbietern bleibt häufig problematisch und uneinheitlich. Insgesamt fehlen klare, praxisnahe Lösungen, die den Alltag in der Pflege wirklich erleichtern und zukunftsfähig machen“.
STIMME-DER-HAUPTSTADT: Vielen Dank für das Gespräch.
Text: Volker Neef
Foto: VDAB