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Prof. Manfred Güllner zur aktuellen Stimmungslage in Deutschland

Prof. Manfred Güllner und Ewald König (re.)

Prof. Manfred Güllner zur aktuellen Stimmungslage in Deutschland

Am 7. September konnte der Journalist Ewald König im „korrespondenten.cafe“ in Berlin-Mitte als Gast Prof. Manfred Güllner begrüßen. 

Der Soziologe, Betriebswirt und Sozialpsychologe erblickte 1941 im Rheinland das Licht der Welt. Er ist Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Seit 2003 ist er Honorarprofessor für Publizistik an der FU Berlin.

Das Parteibuch der SPD besitzt Manfred Güllner seit über 6 Jahrzehnten.


Er sprach vor den Journalisten im „korrespondenten.cafe“ zur aktuellen Stimmungslage in Deutschland. Zuerst sei angemerkt, wer nun meinte der „Herr Professor und Genosse Güllner“ ging mit „seiner“ Partei, der SPD sehr sanft um, irrte sich gewaltig.

Gleich am Anfang seiner Ausführungen teilte der Geschäftsführer des Forsa-Instituts mit: „Noch nie in der Geschichte war eine deutsche Regierung so unbeliebt wie die Ampelregierung“. Wie bekannt, den Kanzler der Dreier-Koalition stellt die SPD mit Olaf Scholz. Es wäre ganz anders gekommen nach Untersuchungen durch Prof. Güllner und seinem Team, wenn die CDU nicht den (damaligen) NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet als Kanzlerkandidaten aufgestellt hätte. „Ein anderer Kanzlerkandidat hätte für CDU/CSU ein besseres Ergebnis erbracht“.

Die Ampel wird gerade einmal von einem Viertel der Wahlberechtigten bevorzugt, so aktuelle Forschungen. Im Klartext bedeutet das, SPD, Grüne und FDP erfahren sehr wenig Zustimmung seitens der Bevölkerung. „Solche außergewöhnlichen Werte für in Regierungsverantwortung stehende Parteien gab es bisher in Deutschland noch nie. Sich selbst bezeichnet die Ampel als Fortschrittskoalition. Was ist davon momentan zu spüren?“

Einen beinahe Totalausfall sieht Manfred Güllner bei der FDP. „Sie war immer eine Klientelpartei, eine Klientelpartei für den Mittelstand. Viele FDP-Wähler sind aber enttäuscht. Was macht denn die FDP für den Mittelstand?“ Die Quittung ist laut Aussage des Forsa-Geschäftsführers: „Heute würde die FDP nur noch einen Bruchteil der Stimmen bekommen wie bei der Bundestagswahl 2021“. 

Beim Blick auf die Grünen gerichtet, meinte er: „Die Grünen sind keine Volkspartei“. Volkspartei nein, Journalistenpartei ja! Rund 50 Prozent (Plus/Minus 10 Prozent) der deutschen Journalisten haben sehr viele Sympathien für die Grünen.

Vielfach bezeichnen sich „oberste Bildungs- und Einkommensbürger als Grün. In privilegierten Wohngegenden wird überwiegend Grün gewählt. Im Osten sind die Grünen nur eine Randgröße, sieht man einmal von den Städten Leipzig und Dresden ab“. 

Für ihn ist „das Hauptproblem der Ampel die SPD“. Sie lag 2021 nur hauchdünn vor der Union. Völlig unverhofft war Olaf Scholz Bundeskanzler geworden. Die SPD nimmt aktuell auch immer mehr Positionen der Grünen ein. Die SPD hat ihren Kern, nämlich Volkspartei zu sein, aufgegeben. Die SPD-Funktionäre „glänzen in ihren Reihen mit Randthemen. Dazu gehören die Erhöhung des Bürgergeldes, die Kindergrundsicherung. Dabei sind 75 Prozent der SPD-Wähler gegen die Erhöhung des Bürgergelds. Die SPD will das aber nicht wahrhaben, sie begreift es auch nicht“. 

Von der großen Schwäche der SPD kann die CDU/CSU nicht profitieren. „Die Union dümpelt vor sich hin. Die Merz-CDU steht heute nicht besser da als die Laschet-CDU. Der Merz hat viel versprochen, gehalten hat er nichts. Er war noch nie in der Bevölkerung ein Hoffnungsträger, er war schon immer unbeliebt“.

Olaf Scholz kann sich seelenruhig zurücklehnen und feststellen: „Die Entscheidung der CDU für Merz war die zweite Fehlentscheidung der CDU. Laschet war die erste Fehlentscheidung“. Bundeskanzler Scholz hofft darauf, dass Friedrich Merz Kanzlerkandidat 2025 wird. Dann kann Olaf Scholz davon ausgehen, er bleibt Amtsinhaber“.

Die LINKE konnte von der Schwäche der Ampel ebenfalls nicht profitieren. Der Wählerkern befindet sich im Osten der Bundesrepublik, das immer noch seit über 30 Jahren der Wiedervereinigung. „Im Westen sind die Linken kaum verankert, sieht man mal von westdeutschen Universitätsstädten, allen voran Bremen, ab“.

Sollte die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründen, gibt Manfred Güllner dieser Bewegung keine großen Chancen. „Meines Erachtens kommt sie nicht über die 5-Prozent-Hürde“.

Die Freien Wähler haben einst eine Lücke, die die CSU verursacht hatte, in Bayern in den Kommunen gefüllt. „Erfolge der Freien Wähler bei Landtagswahlen in Brandenburg und in Rheinland-Pfalz darf man keinesfalls überbewerten. Auf Bundesebene sehe ich die Freien Wähler als chancenlos“.

Der große Gewinner der Schwäche der Ampel ist die AfD. Man muss wissen: „Auch nach dem Zerfall des Dritten Reiches gab es hierzulande rechte Parteien. Sie haben sich alle selbst zerlegt“. Bei der AfD sieht es ganz anders aus. Bei der Bundestagswahl 2021 bekam sie unter 10 Prozent der Wählerstimmen. Heute liegt sie bei Werten von weit über 20 Prozent. „Die AfD ist in Deutschland die zweitstärkste Partei in den Umfragen. Nicht nur der klassische rechte Wähler unterstützt sie. Die extrem Unzufrieden wählen sie auch“.

Als Gründe nannte der Honorarprofessor den aktuellen Genderwahn sowie die Bevormundung. Worthülsen kämen der AfD zugute. „Was bedeutet denn bitte konkret Wumms? Der Wähler versteht die Ampel nicht mehr, die Ampel versteht den Wähler nicht mehr“. 

Manfred Güllner ist es eindringlich gelungen, den anwesenden Medienvertretern seine Erhebungen zu vermitteln. Eines kann man aber sagen: Die Tatsache, dass rund 50 Prozent der Journalisten in Deutschland Grün wählen, trifft bei den Medienvertretern im „korrespondenten.cafe“ nicht zu! Die Lösung ist ganz einfach! Unter den zahlreichen Journalisten befanden sich Korrespondenten aus Lateinamerika, Österreich, Polen, Frankreich und Italien, die für ausländische Medien aus Berlin berichten. Diese Redakteure haben gar kein Wahlrecht in Deutschland.

Dem Herrn Prof. Manfred Güllner können alle Medienvertreter, egal, ob sie aus Lateinamerika oder Berlin kommen, stundenlang zuhören. Bei dem gebürtigen Rheinländer kam nie Langeweile auf.

Text/Foto: Volker Neef

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin