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Mit dem Auto über Land

Jürgen Cain Külbel (Foto: Uwe Venter)

Mit dem Auto über Land

Von dem deutschen Autor Erich Kästner (1899 bis 1974) stammt das Gedicht „Mit dem Auto über Land“.

Da liest man u. a. über einen Familienausflug mit einem PKW: 

„Um den Kopf weht eine Brise
von besonnter Luft und Wiese,
dividiert durch viel Benzin.
Onkel Theobald berichtet,
was er alles sieht und sichtet.
Doch man sieht’s auch ohne ihn“. 

Über eine ganz besondere Autofahrt konnte der Journalist und Autor Jürgen Cain Külbel berichten. In Berlin-Mitte sprach er am 3. Februar als Gast des „Saadi Kulturinstitut“. 

Der Kulturabend stand unter dem Motto „Die Faszination des Iran aus Sicht deutscher Reisender“. In dem Vortrag des Referenten ging es um die erste Automobilfernfahrt von Frankfurt am Main zum Schah nach Persien. Man schrieb das Jahr 1908 und Deutschland hatte noch einen Kaiser an der Staatsspitze. Er hieß Kaiser Wilhelm II. 

(Foto: Uwe Venter)

Der Reiseschriftsteller Rudolf Zabel (1876 bis 1939), ein Thüringer, suchte schon immer gerne das Abenteuer. Als gelernter Journalist berichtete er 1904 über kriegerische Handlungen aus Fernost. Seine Hochzeitsreise führte ihn nicht nach Venedig oder an den Bodensee. Es musste Korea sein. Mit seiner Gattin bereiste er mit Pferd und Planwagen Marokko und Zentralasien. Darüber schrieb er Artikel für Illustrierte und er verfasste auch Bücher über seine Reisen rund um den Erdball. Man muss bedenken, dass 1908 so mancher deutsche Zeitgenosse maximal sein übernächstes Dorf schon einmal in seinem Leben gesehen hatte. Die große Stadt, die damals vielleicht nur 50 km entfernt seines Gehöftes gelegen hatte, war für ihn schon eine Weltreise. Er kannte die große Stadt nur aus Erzählungen. 

Zabel hatte von spektakulären Wettfahrten mit dem Auto von Peking nach Paris und von New York nach Paris gehört. Er wollte mit Gattin und Freunden auch auf große Fahrt mit dem Automobil gehen. Zwei Autos wurden auserkoren für diese Weltreise. Sie stammten aus dem hessischen Frankfurt und wurden in den Adlerwerken gebaut. Der Thüringer besorgte sich einen Personenwagen und einen Kleinlastwagen. Nur je 12 PS konnten die Fahrzeuge aufbringen. Reisebegleiter waren der Maler und Schriftsteller Otto Boyer (1874 bis 1912) sowie Otto Gerlach. Der Maler, Zeichner und Illustrator kam 1862 zur Welt und ist 1908 verstorben. Reiseleiter war Zabel. Er, seine Gattin und die beiden Künstler hatten ursprünglich Indien als Ziel ihrer Reise ins Auge gefasst. Am 31. März 1908 setzte sich die „Karawane“  von Frankfurt am Main aus in Bewegung.

Man erreichte Ungarn und dann Siebenbürgen. Von Rumänien aus ging es zur russischen Grenze. In Odessa nahm man ein Schiff. 

Jürgen Cain Külbel konnte den Zuhörern berichten, welche Probleme die deutsche „Karawane“ auf ihrer Reise noch so zu bewältigen hatte. Es waren recht viele Probleme. Seien es kaputte Autoreifen oder Personal jeweils vor Ort, das gut bezahlt werden wollte sowie uneinsichtige Grenzbeamte. Sie hatten noch nie zuvor ein Auto, dazu noch aus Deutschland kommend, gesehen. Die Reisegruppe konnte aber immer eine Trumpfkarte ausspielen! Vor allen Dingen bei den deutschen Botschaften, Konsulaten und Auslandsdeutschen wirkte ein Schreiben wahre Wunder. Reichskanzler  Bernhard Heinrich Martin Karl von Bülow, er lebte von 1849 bis 1929 und war in der Zeit von 1900 bis 1909 Reichskanzler, war guter Freund der Reisetruppe. Er gab ihr ein Empfehlungsschreiben mit. Deutschland stand der Fernreise mit dem Auto sehr wohlwollend gegenüber. 

Im Oktober 1908 kam man in Teheran an. Das große Unglück war: der Maler Gerlach starb dort kurz nach der Ankunft an Typhus.

Im November 1908 kehrte Zabel wieder nach Deutschland zurück. Fortan verdiente er seinen Lebensunterhalt nicht nur als Journalist und Buchautor. Er referierte über seine abenteuerliche Reise von Deutschland nach Persien. Das Publikum musste Eintrittskarten zu den Vorträgen kaufen. Autogrammkarten konnte man auch käuflich erwerben.

Jürgen Cain Külbel lieferte in Berlin-Mitte seinen Zuhörern einen hochinteressanten Vortrag. Es sei angemerkt: Man musste Jürgen Cain Külbel keine Eintrittskarten abkaufen.

Text: Volker Neef

Foto: Uwe Venter

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin