Gaston Florin hält Vorträge, ist Schauspieler und Regisseur. Er ist Zauberkünstler und war sogar Weltmeister im Zaubern. Als Multitalent sammelt und teilt er Strategien, Übungen und Möglichkeiten, sich auf der Bühne wohlzufühlen.
MMS: Wie hinterlässt du aus deiner Sicht Spuren?
Gaston Florin: Ich kombiniere immer Sachen, die eigentlich nicht zusammenpassen. Die Leichtigkeit und den Abwechslungsreichtum des Varietés verknüpfe ich mit dem Know How von Keynote Speakern. In stundenlangen Wissenseinpeitschungen bleibt schlussendlich gar nicht viel hängen. Da eine Variation reinzubringen, das finde ich gerade im Moment für mich total spannend, da sehr divers zu werden.
MMS: Jetzt hatten wir ja in den letzten eineinhalb Jahren eine Krise, Lockdown und Pandemie. Wie hat sich das auf dich privat und geschäftlich ausgewirkt?
Gaston Florin: In ganz verschiedenen Phasen. Es ist Stand Heute ein bisschen besser und wabert gerade mal wieder. Aber beim ersten Lockdown, ganz ehrlich, ging es mir schon ziemlich nass rein. Die Jobs waren plötzlich wirklich alle weg. Ich dachte mir, ich bin breit aufgestellt. Wenn ich nicht mit Business-Leuten arbeite, arbeite ich mit Künstlern. Wenn ich nicht mit Künstlern arbeite, dann gehe ich selber auf die Bühne. Wenn ich selber nicht auf der Bühne bin, dann bin ich im Probenraum als Regisseur oder Coach. Aber ich habe eine Sache unterschätzt: Den Flaschenhals, wie man so schön sagt. Ich habe alles live gemacht und darin steckt oder steckte auch meine große Liebe. Dann war gefühlt mein Beruf weg. Es war auch zuerst nicht klar, wird der jemals wieder kommen? Als Zauberer als Keynote Speaker, als Trainer mit dem, was ich kann und was ich bin. Neben dem, dass ich depressiv auf dem Sofa lag und viel Rotwein getrunken habe, habe ich gleichzeitig angefangen, auf Facebook live zu gehen. Ich habe Gaston TV gemacht. Das waren jeden Tag 30 Shows um 19 Uhr, bis Sonntag. Diese Online-Aktivitäten sind eigentlich auch nur ein neuer Raum. Genauso, wie ich unterschiedlich spielen und agieren muss, wenn ich in einer Firmenzentrale, im Kongresszentrum, auf der Opernbühne oder im Bierzelt bin, muss ich schon anders reden, anders agieren, um jeweils bei meinem Gegenüber mit Wissen oder Unterhaltung anzukommen. Für uns Künstler gibt es zwei Wermutstropfen. Der eine Wermutstropfen ist: Die Kohle fehlt. Der zweite Wermutstropfen ist fast noch schwieriger. Das Marketing fehlt. Wenn ich auf der Bühne stehe oder bei dir auf einer Veranstaltung bin, dann sitzt da vielleicht jemand, der sagt: Das ist lustig, oder das ist Wissensvermittlung, so wie ich sie mir vorstelle. Dann werde ich deswegen vielleicht wieder gebucht. Auch das fällt natürlich weg und man muss neue Strategien lernen. Oder, wenn ich es anders formuliere. Man darf auch neue Strategien lernen. Ich finde, es liegt immer zwischen dem Müssen und dem Dürfen. Jetzt nur Tschakka und wir finden sofort eine Lösung, finde ich manchmal auch blöd. Manchmal ist es auch gut, ein bisserl zu weinen.
MMS: Was an Ideen, an Denkweisen, vielleicht auch Techniken haben bei bei dir gewirkt, dass du ein bisschen besser durch die Zeit gekommen bist?
Gaston Florin: Tatsächlich der Gedanke des Ausprobierens, der Neugierde und Herauskriegens, wie es geht. Könnte ich es Können können? Das lege ich niederschwellig über das Machen und Ausprobieren. Ich habe mir nicht gleich ein riesiges Equipment gekauft. Ich wollte nicht sofort den besten Online-Vortrag „of the Universe“ machen. Sondern ich habe sehr niederschwellig und mit sehr kleinen Schritten angefangen und immer mit dem Versuch, erst mal unter dem Radar zu bleiben. Auf diese Art und Weise kann ich mehr ausprobieren und mehr Risiken eingehen, um zu lernen. Wenn dann mehr Qualität und Erfahrung gefragt sind, kann ich das schlussendlich herstellen und liefern. Ich habe aber auch gemerkt, selbst im Online bin ich lieber live als in der Konserve. Wobei ich jetzt auch Konserven-Projekte mache. Als Nebeneffekt, als Geschenk sozusagen, der ganzen Aktionen habe ich für mich das Filmemachen und Schneiden entdeckt. Wie schön man da Geschichten erzählen kann.
MMS: Inwieweit haben Kunst, Kultur, Literatur, Musik oder Theater geholfen, besser durch diese Zeit zu kommen?
Gaston Florin: In dieser Zeit hat Musik einen zunehmend wichtigen Stellenwert bekommen. Das hat mit einem meiner Projekte zu tun, zu dem ich am Anfang ein Stück weit von meiner Bühnenkollegin verdammt worden bin. Sie hat gesagt, es wäre ganz gut, Singen zu lernen. In meinem Kopf war Singen erstmal nicht eine Fähigkeit, die ich in erster Linie mit mir und meinen Stimmbändern verknüpfe. Unabhängig von Qualität, unabhängig davon, ob es tausend Leute schön finden oder nicht, tut mir Singen tatsächlich gut, und mit anderen Leuten etwas zusammen zu machen. Auch Hörbücher hören oder auch ein paar coole Netflix-Serien. Sie erzählen natürlich im Moment filmerisch die langen Bögen. Figuren kriegen wirklich Platz, sich zu entwickeln. „The Marvelous Mrs. Maisel“, vielleicht hast du es gesehen, ist eine super Serie über drei Staffeln mit großartigen SchauspielerInnen. Mit wunderbaren Kostümen aus den 50er und 60er Jahre spielt es von einer Frau, die Stand Up Comedian wird. Das ist in der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Es ist wirklich toll gespielt. Ihr Papa ist der Darsteller von Mr. Monk, Tony Shalhoub, und spielt einen wirklich tollen und skurrilen Professor.
MMS: Auszeit und Krise kann auch die Chance und die Energie haben, dass etwas Neues, Innovation oder Transformation entsteht. Was ist bei dir passiert?
Gaston Florin: Es hat eine Transformation stattgefunden von jemandem, der „digital“ total behämmert findet, zu jemandem, der auch die Chancen und Schönheiten des digitalen Kontakts sehen kann. Darin steckt viel mehr, als ich als Künstler am Anfang dachte. Ich bin jetzt in relativ vielen Prozessen und Projekten, wo auch Künstler versuchen, sich diesen Raum zu eigen zu machen. Ich bin jetzt zum Beispiel in einem Konglomerat von Tekkies und Künstlern, die gerade einen Kunstraum für digitale Shows bauen. So ein bisschen „Zoom für Künstler“ und da sind wir sozusagen die erste Garde von Leuten, die da mitspielen und herumexperimentieren. Es ist mir an manchen Stellen noch total fremd, aber gleichzeitig merke ich, darin stecken auch ganz viele tolle Sachen. In den ersten Lockdowns habe ich auch ein Projekt verfolgt. Ich würde ich es mal eine Art Therapie-Gruppe oder Encounter-Gruppe nennen, die online stattgefunden hat. Ich fand das auch deswegen so spannend, weil ein wirklich total tiefer, manchmal schmerzhafter, manchmal lustvoller Kontakt online entstand. Das finde ich total bemerkenswert. Das kenne ich normalerweise nur aus echten Live-Therapiegruppen oder sehr intensiven Live-Bühnenproben. Aber dass es auch online entstehen kann, dass es dafür wiederholbare Strukturen gibt, fand ich erstaunlich. Das wichtigste Tool dafür war zum Beispiel, dass diese Meetings mit zehn Minuten Stille begonnen haben. Zehn Minuten lang haben alle geguckt, wie die anderen gucken. Das heißt, die Kameras waren alle an, und zehn Minuten lang waren alle Mikrofone aus. Dann wurde langsam angefangen, ein bisschen darüber zu reden, was ist gerade. Was nehme ich gerade bei dir wahr? Was nehme ich gerade bei mir selber wahr? Das wurde unglaublich intensiv. Alleine das erlebt haben zu dürfen, macht den Raum auf, dass auch Kunst, dass auch Business diese Form von Intensität bekommen kann. Wenn es in einem Raum sozusagen wiederholbar herstellbar ist, dann kriegt man es vielleicht auch in den Kunstraum. Dann kann man vielleicht auch Shows online so konzipieren, dass das plötzlich wirkliche Tiefe und wirkliche Connection entstehen. Das ist nicht trivial. Aber da bin ich einfach ziemlich sehr neugierig.
MMS: Vielen Dank für die Inspiration und vielen Dank für die Tipps und Inhalte.
Fotos und Interview: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt.Berlin, Redaktion München
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