Innenminister Reul und „Der Mensch dahinter“
Herbert Reul (CDU) ist seit 2017 Innenminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen.
Es ist mit seinen fast 18 Millionen Einwohnern das Einwohnergrößte Bundesland Deutschlands. Am 15. Januar konnte Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in der Landesvertretung in Berlin-Tiergarten Herbert Reul und zahlreiche Gäste begrüßen.
Anlass war die Ausstellung „Der Mensch dahinter“. Man gründete die Initiative für Respekt und Toleranz, um den Menschen in der Uniform sichtbar zu machen. Menschen, die sich bei Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern, im Justizvollzugsdienst, als Zugbegleiter, als Ärzte und medizinisches Fachpersonal in den Notaufnahmestellen oder als Rettungskräfte in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen, erleben bei ihrer Arbeit immer häufiger Situationen, in denen sie von außen angefeindet, abgewertet oder gar tätlich angegriffen werden.
Mit Porträts und Geschichten kommen bei der Ausstellung in der Landesvertretung die Menschen zu Wort, denen man Respekt, Anerkennung und Wertschätzung zollen sollte. Miriam Brauns, die Polizeipräsidentin der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf, nahm an einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Ausstellungseröffnung in der Landesvertretung teil. Sie teilte mit: „Allein gestern habe ich 30 Anzeigen gestellt. Wenn Polizeibedienstete in Düsseldorf angegriffen werden, dazu zählt auch das Anspucken, wenn sie schwersten Beleidigungen ausgesetzt sind, stellen wir als Behörde Strafantrag. Hoher Alkoholkonsum ist dabei für unsere Behörde keine Ausrede, diese Täter bringen wir auch zur Anzeige“. Es gäbe nur eine Ausnahme: Das sind die Täter, die geistig verwirrt sind und sofort einem Facharzt für Neurologie vorgestellt werden. Die Polizeipräsidentin verlangte von der Gesellschaft mehr Respekt für die Bediensteten, die sich voll und ganz um ihre Mitmenschen tagtäglich kümmern. „Diesen Respekt kann man auch im Schulunterricht im Fach Staatsbürgerurkunde ansprechen“.
Innenminister Reul erinnerte an die großen Krawalle auf Polizeibeamte in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart 2020. Ebenso erwähnte er die gewalttätigen Angriffe in der Bundeshauptstadt Berlin in der Silvesternacht 2022 auf 2023. Ein Fall in Nordrhein-Westfalen hat den Landesminister betroffen und traurig gemacht. In Ratingen im Kreis Mettmann fuhren zwei Streifenbeamte im Mai 2023 zu einem Routineeinsatz. In einer Mietwohnung führte ein fast 60 Jahre alter Mann eine Explosion herbei. Die beiden Polizeibeamten (beide unter 30 Jahre alt) erlitten schwerste Verbrennungen und lagen wochenlang im Koma. Weitere, zur Hilfe eilende Polizeibeamte, verletzte der Täter auch. Insgesamt 9 Beamte übergoss er mit Benzin und zündete das Benzin an. Ein Polizeibeamter hat eine Schädigung von 66 Prozent seiner Hautfläche erlitten. Seit November 2023 läuft der Prozess gegen den Täter am Düsseldorfer Landgericht. Das gehört auch zur bitteren Wahrheit: Als eine Gutachterin, eine am Universitätsklinikum Düsseldorf tätige Ärztin, die schlimmen Verbrennungen im Detail beschrieb, verließen einige Zuhörer blitzschnell den Gerichtssaal. Einige sollen sich aufgrund der Ausführungen unwohl gefühlt haben. Es wird auch davon berichtet, ein oder zwei Zuhörer hätten sich erbrochen. Diese Zuhörer haben die Schmerzen der Verbrennungen nicht erfahren, sie leiden nicht unter Panikattacken wie die 9 betroffenen Polizeibeamten. Wie muss es den Polizeibeamten immer noch ergehen?
Minister Herbert Reul sprach davon: „Wer mit Signalraketen auf Rettungskräfte zielt, so wie das in der Silvesternacht 2022 auf 2023 in Berlin der Fall war, muss ein merkwürdiger Mensch sein. Signalraketen sind dazu da, um in die Luft zu schießen, nicht auf Menschen gezielt zu schießen“.
Hier hatte der Minister abgewogene Worte gefunden. Für die Bürger, die nicht wie ein Politiker es tun muss, nämlich jedes Wort diplomatisch abwägen, sondern die so reden, wie ihnen die Schnäbel gewachsen sind, handelt es sich um Schwerkriminelle. Man darf diese Gewalttäter auch als Vollidioten betiteln. Diesen Gewalttätern ist das Leben von Rettungskräften, Polizeibeamten u. v. a. vollkommen egal. Ihnen ist auch das Leben der Mitmenschen egal. Wird beispielsweise ein Rettungssanitäter durch eine Leuchtrakete am Auge so schwer verletzt, dass er in Frühpension gehen muss, wer soll schnell die Personallücke auf der Rettungswache schließen? Der Mitbürger, der den Rettungsdienst anruft, muss auf diesen dann länger warten, weil er unterbesetzt ist. Unterbesetzt durch Vollidioten, durch Schwerkriminelle, die sich noch in den sozialen Medien brüsten wegen ihrer Taten. Durch Personalmangel kommt der Rettungsdienst später als sonst üblich an den Unfallort. Da können wenige Minuten schon über Leben und Tod entscheiden.
Die Bevölkerung und die überwiegende Mehrzahl der Medien fordern auch klare Kante, wenn es zu Gerichtsverhandlungen kommt. Ja, unsere Redaktion nimmt das Wort „Kuscheljustiz“ hier in den Mund. Dafür ist natürlich der Herr Innenminister Reul nicht verantwortlich. Ebenso kein anderer Politiker. Richter legen sehr großen Wert auf den Umstand, dass sie unabhängig urteilen dürfen. Als Redakteur sollte man mit der Sprache umgehen können. Will heißen: Wenn von über 300 Angeklagten, die wegen der Silvesterkrawalle vor Gericht gestanden haben in Berlin, nicht ein einziger sich jetzt im Gefängnis befindet, welches Wort außer Kuscheljustiz ist denn dann angebracht?
Die Ausstellung „Der Mensch dahinter“ wird bis Freitag, 19. Januar 2024, täglich von 9–18 Uhr, in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund zu sehen sein. In der Hiroshimastraße 12–16 in 10785 Berlin befindet sich die Landesvertretung.
In unserer Redaktion sprechen wir an dieser Stelle allen Tätigen bei Polizei, Feuerwehr, Ordnungsämtern, im Justizvollzugsdienst, den Zugbegleitern, den Rettungskräften und den Mitarbeitern in den Notaufnahmestellen einmal ein DANKE aus! Ein DANKE bekommt natürlich auch ein so umtriebiger Landesminister wie Herbert Reul. Er ließ es sich nicht nehmen, von Düsseldorf nach Berlin zu reisen und auf diese, ja leider so notwenige, Ausstellung aufmerksam zu machen. Da zeigt ein Landesminister Führungskraft und Fürsorgepflicht! Chapeau!
Berichte unserer Leser und eigene Erfahrungen der Redakteure belegen: So schön „ein paar Groschen mehr“ auf dem Gehaltszettel für Polizeibeamte, Busfahrer, Krankenschwestern, Rettungssanitäter und allen zahlreichen Helfern auch sein mag, ein einfaches „Guten Morgen“, „Guten Tag“ und ein nettes „Danke“ erhellen den schweren Arbeitstag der für uns Tätigen.
Text/Foto: Volker Neef