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Die kleine Kneipe in unserer Straße – Bald Geschichte?

(Foto: Volker Neef)

(Foto: Volker Neef)

Der Wiener Sänger Peter Alexander (1926 bis 2011) konnte mit seinem Lied „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ einen seiner zahlreichen Hits feiern.
Vielleicht gehören Restaurants, Gasthöfe, Hotels und Kantinen sowie die „kleine Kneipe“ bald nicht mehr zu unserem Alltag oder nur noch sehr selten.
In der Pandemiezeit von 2020 und 2021 mit längeren Lockdowns hat Deutschland sich von ca. 36.000 gastronomischen Einrichtungen verabschieden müssen. Cafes, Restaurants, Schellimbisse, Hotels und das traditionelle Wirtshaus in Bayern und die Berliner Eckkneipe sagten in ihren Gemeinden und Städten „Heute Ruhetag-Für immer“.

Diese beunruhigende Zahl mit 36.000 Schließungen von Betrieben teilte am 5. September im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin-Mitte Guido Zöllick mit. Er ist der Präsident des Branchenverbandes DEHOGA, des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands.
Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin der DEHOGA, wies daraufhin, dass gerade im ländlichen Raum ein Traditionsgasthof kulturelle und soziale Aufgaben erfülle. „Gastronomische Einrichtungen dieser Art sind die Wohnzimmer der Gesellschaft“. Dort treffen sich die Kegler, der Gesangsverein, die Parteien des Ortes halten dort ihre Mitgliederversammlungen ab, die Dorfbewohner kommen nach getaner Arbeit zum Plausch zusammen. Schließt die einzige Gaststätte in einer Landgemeinde, fehlt dieser Treffpunkt. In Großstädten mag man den Verlust eines gastronomischen Betriebes bedauern, die Bürger können es aber verkraften. Es gibt noch Ausweichmöglichkeiten. Geht es aber mit der Zahl der Schließungen von gastronomischen Betrieben und Hotels rasant weiter, merkt man eine Lücke auch in den Großstädten. Wo einst die Gastronomen des Spezialitätenrestaurants oder des guten alten Kolpinghauses mit Bowlingbahn die Gäste, oft per Handschlag, begrüßen, sind Leerstände anzutreffen.

(Foto: Volker Neef)
(Foto: Volker Neef)

Eindringlich vor diesem Szenario gewarnt haben Guido Zöllick und Ingrid Hartges. Die Repräsentanten der DEHOGA mühen sich momentan ab, den politisch Verantwortlichen klar zu machen, die auf sieben Prozent gesenkte Mehrwertsteuer in 2024 nicht wieder auf 19 Prozent anzuheben. Guido Zöllick sagte, eine Umfrage habe „deutlich zu Tage gebracht, ca. 90 Prozent der Betriebe würden dann die Preise erhöhen. Der durchschnittliche Satz der Erhöhungen würde bei knapp 18 Prozent liegen“. Gestiegene Einkaufspreise für Lebensmittel, drastische Verteuerung von Strom und Gas können die Betriebe nicht mehr aus den ohnehin schon dünnen Gewinnen noch auffangen. Gastronomen leiden einmal unter Existenzängsten als auch unter der Ungewissheit. Guido Zöllick machte das am Beispiel einer Kreditaufnahme klar! Bittet ein Gastronom für die Erneuerung seiner Küche, also den Kauf zahlreicher Herde und Kühlschränke sowie Kühltruhen, die Bank um einen Kredit, kann der Gastronom, der ja auch zugleich Kaufmann ist, kaum konkreten Zahlen liefern. Zumindest sind diese Zahlen sehr vage. Kommt ab 2024 die Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent, muss er mit weniger Gästen rechnen. Die gestiegenen Preise aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung schreckt garantiert Gäste ab. Andere Besucher verkneifen es sich, vor dem Hauptgang noch eine Suppe zu bestellen und trinken statt wie einst zwei Getränke zum Menü nur noch eins. Man verzichtet auch auf eine Nachspeise.

Klare Zahlenangaben lieferten die DEHOGA-Repräsentanten! „Im nächsten Jahr droht beim Auslaufen der Steuererleichterung bis zu 12.000 weiteren Betrieben das Aus“.

Bis jetzt haben die Politiker, die in Verantwortung stehen, noch keine Aussage zum weiteren Vorgehen in Sachen Mehrwertsteuer gemacht. Kommt sie denn nun oder kommt sie nicht? Oft vergessen politisch Verantwortliche auch, die Gastronomie und das Hotelgewerbe bieten fast 1 Million Menschen Arbeit. Hinzukommen Minijobber wie beispielsweise studentische Hilfskräfte. Die DEHOGA ist auch als ein guter Ausbilder bekannt. Verschwindet das Restaurant, das Hotel, verschwindet auch der Ausbildungsbetrieb.

(Foto: Volker Neef)
(Foto: Volker Neef)

Eingangs hat man bereits Peter Alexander erwähnt. Eine Zeile im Lied lautet „Dort in der Kneipe in unserer Straße …..das ist ein Stückchen Daheim“.

Was aber, wenn hierzulande immer mehr dieser Einrichtungen, den Wohnzimmern der Gesellschaft, die wirtschaftliche Luft zum Überleben abgeschnürt wird?

Kommunen ohne oder mit nur sehr wenigen gastronomischen Betrieben sind weder sehr attraktiv noch sehr lebenswert.


Text/Foto: Volker Neef

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