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Die Frauen bleiben aktiv – Heidemarie Eller

Heidemarie Eller. Foto : privat

Die Frauen bleiben aktiv – Heidemarie Eller

Heidemarie Eller ist in Berlin geboren, hat an der TU Betriebswirtschaft studiert und abgeschlossen. Sie ist seit 1975 Mitglied der FDP und in verschiedenen Funktionen  u.a. als Bezirksvorsitzende und aktuell als Bezirksschatzmeisterin aktiv.

Wir trafen Sie zum Interview im Café Wetterstein in Tegel.

Sie sind zwar schon lange aktiv im Vorstand der FDP in Reinickendorf, aber erst jetzt haben Sie sich entschlossen, noch sichtbarer und aktiver zu agieren, hat das etwas mit dem Alter und der Weisheit zu tun? 

Weder – noch. Ersten habe ich schon mehrfach sichtbarer agiert, nicht immer auf dem Ticket der FDP, aber immer mit deren Rückendeckung. So war ich Ende der 80iger Jahre Mitglied im Gemeindesrat meiner damaligen Heimatgemeinde über die Liste einer Wählergemeinschaft, die ich dann auch erfolgreich in eine zweite Wahlperiode geführt hatte. Später dann habe ich mit anderen Müttern an der Schule meiner Kinder die Initiative gegründet, die letztendlich den Sternmarsch 2000 organisiert hat. Meine Lebensgeschichte, die mich ein wenig durch Deutschland geführt hat, hat mich auch in den Genuss der Mitarbeit in einer Reihe von Landesverbänden gebracht . Als ich nach meiner Rückkehr nach Berlin in der Berliner FDP wieder Fuß gefasste, hatte ich keine Lust auf einen weiteren Wechsel des Landesverbandes, nur weil ich mit meiner Mutter ein Haus am Stadtrand in Glienicke gebaut habe. Das Ergebnis war, dass mich der Glienicker Ortsverband bat, mich als sachkundige Bürgerin (das ist in Berlin der Bürgerdeputierte) in den Sozialausschuss in Glienicke entsenden zu dürfen.

Heidemarie Eller Stimme der Hauptstadt Foto: Gaby Bär

Innerhalb der Partei habe ich ebenfalls schon viele Positionen wahrgenommen auf Ortsverbands-, Kreis- wie auf Bezirksverbands-Ebene und habe mich darüber hinaus in unseren Landesfachausschüssen engagiert, teilweise nicht nur aus Interesse für das Fachgebiet, sondern auch schon mal, weil ich es für notwendig erachtete, dass der Kreisverband einen direkten Draht in einen wichtigen Landesfachausschuss haben müsse.

Dass ich mich jetzt für die BVV-Liste habe „rekrutieren“ lassen, hat zum einen damit zu tun, dass ich zum Jahresende in Rente gehe und damit einen neuen Lebensabschnitt gestalten darf. Für den hatte ich zwar auch schon ein paar Pläne, die ich hoffentlich dennoch umsetzen kann, aber es ist auch eine Chance jetzt direkt wieder zu versuchen Dinge zum Besseren zu ändern.

Ihr Slogan lautet: „Holen wir uns die Zukunft nach Reinickendorf“ – welche Bereiche betrifft das besonders?

Eigentlich alle Bereiche des Lebens! Es fängt bei der Bildung an, die die Basis für ein selbstbestimmtes Leben ist. Geht aber auch in Bereiche, die unser Umfeld im täglichen Leben betrifft: Fuß-, Radwege und teilweise auch Straßen, die in einem üblen Zustand sind, Wohnungen die fehlen, die Belastung der Menschen durch zu viel Verkehr, verschmutze Wege und Grünanlagen. Probleme älterer Menschen, die Mühe haben Straßen zu queren. Den Bezirk aber auch für junge Familien und überhaupt Junge Leute attraktiver zu machen – auch wenn, dass mehr der Arbeitsschwerpunkt der jüngeren Mitstreiter auf der FDP-Liste ist – aber auch ich sehe die Probleme und will sie angehen. Der Kontakt mit der Verwaltung sollte für alle Menschen leichter werden – aus meiner Mentalität heraus, habe ich da bisher weniger Probleme gehabt. Am letzten Infostand habe ich aber mitbekommen, wie eine Parteifreundin einer älteren Damen erklärte, wie man Briefwahlunterlagen anfordert. Ich finde es schlimm, dass dies nicht Allgemeinwissen ist, das Menschen sich das Leben an einer Stelle schwer machen, wo es nicht notwendig wäre – gerade in der derzeitige unsicheren Pandemielage – und gar nicht erst auf die Idee kommen nachzufragen, wie es funktioniert. Warum ist die Verwaltung dem Bürger so fern???

Welche Schwerpunkte sehen Sie für Ihr neues Arbeitsfeld?   

Ich möchte versuchen zu erreichen, dass die Taktung der S-Bahn nach Oranienburg und nach Hennigsdorf kürzer wird. Darüber hinaus möchte ich Kontakt mit den Umlandgemeinden aufnehmen, um Strategien zu entwickeln, wie wir gemeinsam die Pendler von der Straße auf die Bahn bekommen. Denn nur, wenn es uns gelingt die Pendler schon vor der Stadtgrenze auf die Bahn zu lenken, wird der Durchgangsverkehr für Reinickendorf zu senken sein.

Wenn wir für den Klimaschutz die Menschen verstärkt auf das Rad bekommen wollen, müssen wir für sichere Radwege sorgen. Dies heißt nicht nur neue Radwege bauen, sondern auch bestehende Radwege sanieren. Sie sind teilweise zu schmal, sind teilweise durch kleine Abgrenzungskantsteine vom Gehweg getrennt (bei Ausweichmanövern, weil der Radweg zum Teil zugeparkt ist, hat das Sturzpotential!) oder das Wurzelwerk hat über Jahre Abflugrampen gebildet – alles keine Voraussetzungen, angstfrei mit dem Rad unterwegs zu sein.

Ich denke, ich werde mich aber auch in anderen Bereichen, z.B. dem Wohnungsbau, den gesamten Schulbereich, Verbesserung von Kleinigkeiten im Verkehrsmiteinander: neue Zebrastreifen, Abschrägungen an Kreuzung, bessere Beleuchtung von Wegen u.v.m. versuchen einzusetzen. 

Ich weiß, dass dies alles, wenn auch kleine Projekte sein werden, die aber dennoch ihre Zeit brauchen – Ich erinnere mich noch an die Initiative der FDP für einen Zebrastreifen am Zeltinger Platz vor EDEKA und zur Post, ein Projekt, dass mehr als eine Legislaturperiode gedauert hat, ehe es wirklich umgesetzt war. Sie sehen: ich bestehe nicht nur aus Enthusiasmus sondern habe eine gesunde Menge an Realismus, wissend, dass wir auf Bezirksebene sehr dicke Bretter bohren müssen, weil immer wieder auch Entscheidungsträger aus der Landesverwaltungsebene überzeugt und eingebunden werden müssen. 

Wo muss die Politik in Reinickendorf noch aktiver werden?

Das Problem ist, dass Politik auf Bezirksebene häufig für so uninteressant gehalten wird, weil ihr Spielraum so gering ist. Wenn ich an den Bezirkshaushalt denke, dann sind weit mehr als 90% der Ausgaben eigentlich vorgegeben – sogenannte Pflichtausgaben. Das begrenzt die Möglichkeiten deutlich. Aber es stellt auch eine Herausforderung dar, die unterschiedlichen Verwaltungsebenen zusammen zu bringen, um ein sinnvolles Projekt dann doch irgendwie umzusetzen. Außerdem wird die Aufgabe, der Bezirksverwaltung immer wieder auf die Finger zu sehen und sie dazu zu bewegen neue Wege zu gehen, als mühsam und wenig öffentlichkeitswirksam empfunden – was es ja auch ist. Aber genau das ist die Aufgabe der BVV Verordneten. Wir sind Teil der Verwaltungsstruktur und müssen das Beste aus der Verwaltung für die Bürger herausholen.

Muß man als Frau in der Politik anders arbeiten, hat man einen anderen Blick auf die Probleme, sieht man mehr?

Ich glaube nicht, dass man anders arbeiten muss, aber ich denke Frau tut es. Für mich kann ich nur sagen, trotz über 40 Jahren Parteiarbeit, dass ich das netzwerken allein in der Partei immer noch nicht richtig gelernt habe. Das gibt mir aber auch eine gewisse Freiheit, da ich mir die Themen immer allein erarbeiten muss, und dann, denke ich, auch wirklich weiß, wovon ich rede und dann auch überzeugen kann – andernfalls halte ich lieber den Mund. Beim Blick auf die Probleme hängt der wohl sehr viel stärker von der Familienprägung, beruflicher Erfahrungen, letztendlich der Lebenserfahrung ab, als von dem Geschlecht des Betrachters oder der Betrachterin.

Vielen Dank für das Gespräch

Stimme der Hauptstadt Text:/Foto: Gaby Bär 

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin