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Die Blechtrommel nach Günter Grass

Foto: Studiobühne Bayreuth, Thomas Eberlein

Die Blechtrommel nach Günter Grass

Mondrama-Fassung des weltberühmten Romans an der Studiobühne Bayreuth

Als einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller erhielt Günter Grass den Literaturnobelpreis und wurde mit seinem Roman 1959 über Nacht berühmt. In ausschweifenden Bildern und einer drastischen Sprache schafft er eine groteske Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte im Danzig in den 20er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Aus der Perspektive des Oskar Matzerath, der mit drei Jahren beschließt mit dem Wachsen aufzuhören und den Beruf des Blechtrommlers erwählt, gerät diese Collage von oft skurilen Szenen zu einem beeindruckenden Porträt. 

Wie viele Schüler haben sich schon in der Schule durch das Werk des Literaturnobelpreisträgers gequält? Wie vielen Generationen von Mädchen ist beim Sehen des Oscar-prämierten Films von Volker Schlöndorff schlecht geworden? Wie vielen Menschen können oder wollen mit dem Stoff nichts anfangen? Schade eigentlich. Denn gleichzeitig zieht diese außergewöhnliche Betrachtungsweise und die starke Sprache einen emotional in Bann.

Foto: Studiobühne Bayreuth, Thomas Eberlein

Barbara Lattas stellt sich als Schauspielerin der Herausforderung dieses Ein-Personen-Stück von Oliver Reese auf der Bühne in Szene zu setzen. In der nur zu einem Viertel gefüllten Studiobühne – mehr lassen die behördlichen Anordnungen nicht zu, dafür aber volle Gaststätten und Restaurants – und keine Person zum Anspielen ist eine gehörige Portion Präsenz gefragt. 

Mit einem ständigen Rhythmus-Wechsel von Stehen, Gehen und Laufen, einer Stimmmodulation von leise über Dialekt bis ekstatisch setzt sie ihren Stimme und ihren Körper so energetisch ein, dass sie hohen Respekt verdient. Zusammen mit dem Regisseur und Bühnenbildner Julius Theodor Semmelmann hat sie ein Mienenspiel und eine Sprache mit ihren Augen entwickelt, die Sätze zu Ende denken lassen und Botschaften übermitteln ohne sie auszusprechen.

Foto: Studiobühne Bayreuth, Thomas Eberlein

Die Collage von Szenen, die wir aus dem Film von Schlöndorff erinnern, geht von der Großmutter mit den vier Röcken, der Brausepulver-Erotik über das Aale-Angeln mit Pferdekopf bis zum SS-Aufmarsch, der durch Oskars Trommeln zur Farce gerät. Als dann auch eine übergroße menschenhohe rot-weiße Trommel ins Spiel kommt eine neue Qualität von Bewegung und Dynamik ins Spiel. Zu erwähnen sind noch die Ton-, Sound und Lichteffekte, die feinfühlig oder auch grotesk den eindrucksvollen Theaterabend unterstützen.

Text: Joachim Skambraks, Stimme der Hauptstadt Berlin, Redaktion MünchenFotos: Studiobühne Bayreuth, Thomas Eberlein

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin