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Der Wintergarten – damals und heute

Wintergarten Berlin (Foto: Volker Neef)

Der Wintergarten – damals und heute

Eine neue Show feiert Premiere

Das Varieté-Theater hat in Berlin Tradition. Es entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 

Damals wurden diese Darbietungen auf Amüsierbühnen zumeist Tingeltangel genannt. Das französische Wort Varieté bedeutet Mannigfaltigkeit, und vielfältig waren die Programme tatsächlich:  Zaubertrickkünstler, Bauchredner, Transvestiten, Witzeerzähler, „echte Indianer“, „Indier“, Tänzerinnen, Sänger, Komiker, Kunstschützen, Clowns, Ringkämpfer, Athleten, Reckturner, Stimmenimitatoren, später auch Schönheitstänzerinnen mit den zugehörigen Skandalen. Es gab kurze Possen, Lustspiele, Pantomimen, Tierkunststücke, Persiflagen, Sketche, Einakter – eben ein bunter Strauß. Stets ging es um Darbietungen der leichten Muse. An der Wende zum 20. Jahrhundert soll es in Berlin rund 100 Auftrittsstätten, Cafés, Ausfluglokale und Brauereien mit Bühnenprogramm gegeben haben. Die meisten Varietés fanden sich ab 1890 um den Bahnhof Friedrichstraße.

Wintergarten Berlin (Foto: Volker Neef)

Auf höchstem Niveau amüsierten sich das Großbürgertum und der Adel im Palmengarten des Central-Hotels – im Kaiserreich waren Palmengärten en vogue. Dieses nahe dem heutigen Bahnhof Friedrichstraße im Jahre 1877 erbaute Hotel konnte sich mit den Spitzenhäusern in Paris, London und New York messen. In diesem luxuriösen Ambiente fanden zunächst hauptsächlich Konzerte statt; später traten auch Sänger und Tänzer mit unterhaltenden Darbietungen der Bühnenkunst auf. Nach 1887 wurde der Palmengarten, später unter dem Namen Wintergarten bekannt, zum Varieté im modernen Sinne, also mit Nummernrevuen. In den späten zwanziger Jahren, als Deutschland durch Kredite amerikanischer Banken eine wirtschaftliche Scheinblüte erlebte, wollte man sich wieder amüsieren und die Varietés florierten. Im Wintergarten, einem der wichtigsten Vergnügungsorte Berlins, traten Unterhaltungskünstler wie die  Diseuse Claire Waldoff und der Coupletsänger Otto Reutter auf. Doch als die deutsche Hauptstadt ab 1944 in Trümmer fiel, ging auch das Wintergarten-Varieté unter.

In der Potsdamer Straße im damaligen Bezirk Tiergarten wurde im Jahre 1992 abermals ein Wintergarten-Varieté eröffnet, das nach einigen Jahren Insolvenz anmeldete. Doch fanden sich neue Betreiber und neue Direktoren. In den letzten zwei Jahren präsentierte der Wintergarten zwei Shows mit an die Zwanziger Jahre angelehnten Varieté-Revuen. Das zeigt, in welch hohem Maße die Zwanziger Jahre stilprägend für das Varieté waren. Doch heute präsentiert sich das Varieté anders als damals, die alte Vielfalt ist geschwunden.

Jetzt gibt es ein neues Programm im Wintergarten: „Flying Dreams – Streetdance im Varieté“. Gestaltet wurde das Programm von Rodrigue Funke, einem vielfach mit deutschen und ausländischen Preisen ausgezeichneten Regisseur und von Vartan Bassil, Mitbegründer und Kreativdirektor der Flying Steps. Die Akteure der Show kommen aus mehr als 10 Ländern.  21 Artisten und Tänzer fliegen, springen und wirbeln über die Bühne. Die weltweit gefeierte Street Dance Crew Flying Steps bietet vom Breakdance inspirierte Artistik. Ukrainische Künstler des modernen Zirkus treffen sich auf der Bühne mit jungen Talenten aus Kreuzberg. 

Die Darbietung wird unterlegt durch eine aufwendige Lichtshow aus Projektion und LED-Technik.  All das schwebt auf einem Klangteppich, der nur noch sehr entfernt an den Sound der goldenen Zwanziger erinnert, vielmehr vom Hip-Hop der achtziger Jahre und zeitgenössischen Elektro-Beats inspiriert ist. Die Premiere der Show wird am 3. März stattfinden. Alle Details unter: www.wintergarten-berlin.de (Text: Gernot Volger/Foto: Volker Neef)

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin