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Das Sowjetische Ehrenmal in der Schönholzer Heide

Fotos: Svetlana Reinwarth

Das Sowjetische Ehrenmal in der Schönholzer Heide

Im Norden Berlins liegt der Bezirk Pankow mit seiner „Schönholzer Heide“. Im aufkommenden 19. Jahrhundert diente die „Schönholzer Heide“ den Industriearbeitern und ihren Familienangehörigen als ein sehr beliebtes Ausflugsziel. An sommerlichen Tagen breiteten die Berliner Arbeiter auf mitgebrachten Decken ihre Picknickkörbe aus und erfreuten sich am arbeitsfreien Sonntag. Unrühmlich nahm die Schönholzer Heide eine Wendung in der Nazizeit. 

Zwischen der heutigen Hermann-Hesse-Straße und dem Rodelberg befand sich ein Lager für Kriegsgefangene und existierte von Juni 1940 bis zum April 1945. Die Schönholzer Heide gehörte mit fast 2.500 Zwangsarbeitern zu den größten Lagern in der damaligen Reichshauptstadt. Aus Jugoslawien, der UdSSR, Belgien, Frankreich und Polen entstammten sie, im Jahre 1943 kamen Italiener hinzu. An sechs Tagen schufteten die Zwangsarbeiter zwölf Stunden unter menschenunwürdigen Bedingungen. Hunger, Kälte, schlechte medizinische Versorgung und körperliche Züchtigungen prägten den Alltag der Notleidenden. 

Im Eichborndamm in Berlin-Reinickendorf befanden sich Fabriken der Deutschen Waffen- und Munitionswerke (DWM), hier arbeiteten diese unterdrückten Menschen oft bis zum buchstäblichen Umfallen. Angemerkt sei hier auch, diese Unmenschlichkeit dauerte noch 55 Jahre nach Kriegsende an. Erst im Jahre 2000 erhielten die ehemaligen Zwangsarbeiter für ihr unendliches Leid von der Bundesrepublik Deutschland eine kleine Entschädigung. Leider erhielten nur die Zwangsarbeiter eine Entschädigung, die durch Papiere oder Zeugenaussagen ihre Leidenszeit in Berlin nachweisen konnten. Waren die Zeugen verstorben oder geistig gar nicht mehr in der Lage, Fragen über einen Zwangsarbeiter zu beantworten, hatte der potentielle Antragssteller halt Pech gehabt. Es darf durchaus einmal gefragt werden, wie viele Zwangsarbeiter aus der Schönholzer Heide da noch lebten? 

Fotos: Svetlana Reinwarth

Das Lager endete sein leidvolles Tun ja nicht aus Einsicht oder Gutmütigkeit der Deutschen Wehrmacht, die den DWM die Arbeiter „zuführte“, sondern nur durch den Kampf der Roten Armee und letztendlich des Sieges der UdSSR über Nazi-Deutschland. Hier kämpften auf beiden Seiten mehrere tausend Soldaten, wobei auf deutscher Seite der Begriff Soldat sehr vielschichtig war. In den letzten Kriegswochen zogen die braunen Machthaber als letztes Aufgebot auch Greise und Jugendliche zu Kampfhandlungen ein. 

Über 13.000 Militärangehörige kamen bei Kämpfen in der Schönholzer Heide ums Leben. Ihnen zu Ehren wurde das Mahnmal in Pankow errichtet. In der Zeit von Mai 1947 bis November 1949 entstand es nach Entwürfen einer Sowjetischen Architektengruppe. Dazu zählten die Architekten K. A. Solowjow, M. D. Belawenzew und W. D. Koroljow sowie der Bildhauer Iwan G. Perschudtschew. Die Überreste der 13.000 gefallenen Soldaten der UdSSR, darunter 120 Frauen, fanden in Pankow ihre letzte Ruhestätte. Nur jeder fünfte Tote war namentlich bekannt. Zu den Beerdigten an dieser Stelle zählen auch 7 Zwangsarbeiter, 180 deutsche Zivilisten, 146 deutsche Wehrmachtsangehörige und Angehörige des Volkssturms. Heute führt eine Allee zum Ehrenhain. 

Zwei Pfeiler aus Granit stehen am Eingang, auf den Steinen befinden sich symbolische Flammen. Zwei Türme aus rotem Granit befinden sich ebenfalls auf dem Gelände. An ihnen sind Zitate von Stalin in deutscher und russischer Sprache zu lesen. Im mittleren Teil der Anlage des Mahnmals stehen sechzehn Grabkammern, hier sind 1.182 Soldaten der UdSSR beigesetzt worden. Am Ende der parkähnlichen Anlage befindet sich der fast 34 Meter hohe Obelisk. Vor ihm ist die „Russische Mutter Heimat“ zu sehen. Dieses Mahnmal stellt eine trauernde Mutter dar, die ob des Gefallenen Sohnes ihre Tränen vergießt. Der Leichnam ist mit der siegreichen Fahne der Sowjetunion bedeckt. 

Fotos: Svetlana Reinwarth

Das Sockelgeschoss beinhaltet 42 Grabtafeln mit den Namen und Dienstgraden der getöteten Offiziere der Roten Armee. Höchste Dienstgrade sind zwei gefallene Offiziere im Rang Oberst. Ihre Namen wurden in der Gruft unter der Ehrenhalle verewigt.  Der Ehrenhain, der eine Größe von 27.500 Quadratmetern umfasst, wird von einer Mauer umschlossen. Hier sind genau 100 Tafeln angebracht worden, auf denen die Namen, Dienstgrade und das Geburtsjahr von 2.647 Gefallenen zu lesen ist. Einzelne Sterbedaten sind ebenfalls aufgeführt, so diese bekannt waren. Mancher Soldat starb nach dem Kriegsende in Europa am 8. Mai 1945. Das ist damit begründet, der Rotarmist war so schwer verwundet, dass er Transportunfähig war und nach dem Kriegsende seinen schweren Verletzungen in Berlin erlegen ist. 

In den Jahren von 2010 bis 2013 fanden Restaurierungsarbeiten am Ehrenhain statt. Der damalige Stadtentwicklungssenator und jetzige Regierende Berliner Bürgermeister Michael Müller und der russische Botschafter haben am 13. August 2013 diesen würdevollen Ort gemeinsam wiedereröffnet. Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich im Zuge der Verhandlungen zur Wiedervereinigung 1990 dazu verpflichtet, die Würde der sowjetischen Soldatenfriedhöfe ewiglich zu erhalten und sämtliche anfallende Kosten zu übernehmen.

Unser redaktionelles Fazit: Dieser Ort zeigt, zu was Menschen bedauerlicherweise fähig sein können. Erst wurden in der Schönholzer Heide Zwangsarbeiter geprügelt und gefoltert und unmenschlich behandelt. Nur durch den hohen Blutzoll der Roten Armee wurden diese leidenden Kreaturen befreit. Ein Spruch am Mahnmal lautet: „Nicht vergebens waren der Tod und das vergossene Blut der Sowjethelden.“ Der gesamte Satz endet damit, dass sie starben im „Kampf für den dauerhaften Frieden unter den Völkern.“ Wer noch nie einen Krieg miterleben musste und einmal die Schönholzer Heide und das Mahnmal betritt, ahnt, zu was Krieg führen kann. 

Unser redaktioneller Service: Das Mahnmal befindet sich in Berlin-Pankow, Germanenstraße. Die BVG Buslinie 155 fährt von der Pankower Hauptstraße bis nach Heinersdorf und hält direkt an der Haltestelle Ehrenmal Schönholz.

Öffnungszeiten sind von April bis September von 7 bis 19 Uhr. Von 8 bis 16 Uhr ist es in der Zeit von Oktober bis März geöffnet. Der Eintritt ist frei. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein kleines Caféhaus.

(Stimme der Hauptstadt /Text: Volker Neef/Fotos: Svetlana Reinwarth)

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Frank Pfuhl
Frank Pfuhl
SDHB Redaktion Berlin